Die Farben des Hovawartes

Wie ein Hovawart auszusehen hat, steht in seinem Rassestandard beschrieben. Für alle innerhalb des FCI züchtenden Hovawart-Verbände ist dies der FCI-Standard Nr. 190. Darin sind unter anderem auch die drei erlaubten Farbschläge beschrieben. Diese sind Blond, Schwarzmarken und Schwarz. Wenn man das Internet nach Hovawarten durchsucht, stößt man jedoch auch immer wieder auf andere Farbschläge, welche dann oft auch die „alten Farben“ genannt werden. Da stellt man sich schnell die Frage, was es mit diesen Farben auf sich hat, und weshalb im heutigen Standard nur die drei oben genannten zu finden sind.

Teil I: Geschichtliches

Der Hovawart als Rasse entstand in den 1920ern maßgeblich nach den Ideen von Curt Friedrich König und seinem Vater Bertram König. Ihr Ziel war es, einen selbständig entscheidenden, intelligenten und verlässlichen Hund als Wächter für Haus und Hof, sowie einen im Alltag umgänglichen und seinem Herren treu ergebenen Begleiter zu züchten. Dies forderte auch eine körperliche Robustheit und Belastbarkeit sowie mentale Stärke und einen ausdauernden Willen, die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Als Grundlage zur Rekonstruktion dieses Hovawartes dienten Curt F. König jene Hunde, die seinen Auffassungen eines wolfstämmigen „Urhovawartes“ entsprachen. Wolfstämmig bedeutet hierbei, dass die Ahnen des Hundes Wölfe waren. Heute geht die Wissenschaft davon aus, dass sämtliche Haushunde vom Wolf abstammen. Zu Zeiten Königs, in den 1920er und den folgenden Jahrzenten,  vermutete man hingegen, dass einige Rassen auch von anderen Hundeartigen, wie beispielsweise dem Goldschakal, abstammen. Der wolfstämmige Hund hatte für Curt Friedrich König dabei unter anderem eine Reihe körperlicher Merkmale, wie beispielsweise Hängeohren, in Erregung hoch getragene Rute, ein im Vergleich zum Wolf verkürzter Fang sowie Farbvariationen von hell bis dunkel und gegebenenfalls auch weiße Abzeichen an Brust und Pfoten. So ist es also nicht verwunderlich, dass die ersten von König einst gezüchteten Hovawarte auch in andern als in den drei heute zugelassenen Farbvarianten auftraten.

Im Jahr 1937 wurde der Hovawart als Rasse anerkannt. Es gab noch keinen Rassestandard im heutigen Sinn, jedoch wurden bereits Rassekennzeichen formuliert, welche sich auch in den Leistungszuchtausweisen der einzelnen Hunde wiederfanden. Ein solcher Ausweis ist beispielsweise auf der Internetseite des Hovawart Vereins für deutsche Schutzhunde e. V. Sitz Thale a. Harz zu sehen. In den dort formulierten Rassekennzeichen sind die Farben „Schwarz“, „Schwarzmarken“ ,“Markenschwarz“ und „Markenfarbig (dunkel und hell, mit und ohne Anflug)“ aufgelistet. Als ich selbst diese Bezeichnungen das erste Mal las, brachten mich die neuen Begriffe etwas aus dem Konzept, denn sie kollidierten mit meinem bisherigen Wortverständnis von „Schwarzmarken“. Daher werde ich im Folgenden auf die Farbbezeichnungen aus den Rassekennzeichen von 1937 genauer eingehen.

Mein ursprüngliches Unverständnis basierte auf dem Ausdruck „Marken“. Für mich bedeutete es früher so viel wie „blonde Abzeichen an den erwünschten, bekannten Körperstellen“. Wie sollte nun ein markenschwarzer oder gar ein markenfarbiger Hund aussehen? Freundlicherweise erhielt ich Antworten dazu durch den Hovawart Verein für deutsche Schutzhunde Thale. Des Rätsels Lösung liegt darin, dass das Wort „marken“ hier nicht die Bedeutung „Abzeichen“ hat, sondern eine heute nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung für „blond“ oder ähnliche Farben ist. Übrigens ist die englische Bezeichnung für schwarzmarkene Zeichnungen bei Hunden „black and tan“, wobei  „tan“ ins Deutsche übersetzt  „hellbraun“ oder  „lohfarben“ heißt. Somit wird klar, wo sich der blonde Hovawart innerhalb der Rassekennzeichen versteckt: Er trägt dort die Bezeichnung Markenfarbig. Während beim schwarzmarkenen Hovawart, das Schwarz überwiegt und er die typischen, hellbraunen Abzeichen trägt, ist ein markenschwarzer Hund dagegen ein von der Grundfarbe her blonder Hund, mit mehr oder weniger intensiven schwarzen Partien. Er besaß dabei jedoch eine geschlossen schwarze Decke. Im Gegensatz zu schwarzmarkenen Hunden dürfte der Farbübergang bei den markenschwarzen hingegen nicht so scharf abgesetzt gewesen sein. Bei den blonden bzw. markenfarbigen Hunden gab es nun noch die Zusätze hell und dunkel und mit und ohne Anflug. Dies zeigt, dass auch bei den blonden Hunden noch recht viel Spielraum war. Dabei waren auch dunkle Masken, also dunkel gefärbte Schnauzen und Ohren, erlaubt. Ebenfalls fielen Hunde unter blond, deren Fellzeichnungen etwa denen von Leonbergern glichen. Diese Varianten von Markenfarbig wurden später gelegentlich auch „Löwenfarbig“ genannt. Ebenfalls das heute noch im Internet zu findende „Berliner Blond“ war früher stellenweise für diese Fellzeichnung gebräuchlich. Heute wird ein Hovawart mit berliner Blond hingegen als rotblond beschrieben. Dieses Beispiel zeigt auch, dass die Verwenung der alten Farbbegriffe sich im Laufe der Zeit und unter dem allmählichen Verschwinden der entsprechend gefärbten Hovawarte verändert hat.

Wo sind nun diese Farben aus der Zucht vor dem zweiten Weltkrieg hin? Nach dem Krieg war die Hovawartpopulation stark geschrumpft. Auch die Zuchtvereine und –verbände, die es vor dem Krieg gab, hatten sich zerschlagen und waren aufgelöst worden. In der Nachkriegszeit wurden dann lokal viele neue Zuchtvereine gebildet. Unter anderem auch der Rassezuchtverein für Hovawart-Hunde (RZV) 1948 in Coburg, welcher in den darauf folgenden Jahren maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Rasse hatte. Daneben entstanden auch die Vereine, die sich später, über ein paar Umwege, zur Hovawart-Zuchtgemeinschaft Deutschland (HZD) zusammenschlossen. Darunter waren Vereine, in denen auch Hovawarte mit anderen, als den drei heute anerkannten Farben gezüchtet wurden. Ein Beispiel hierfür war der 1946 gegründete Hovawart-Verein für Deutsche Schutzhunde e. V. Hamburg (später wurde der Sitz des Vereins wieder nach Thale gelegt, um die Nachfolge des ursprünglichen Thaler Vereins anzutreten). Auch Curt Friedrich König war nach dem Krieg aktives Ehrenmitglied in diesem Verein.

Im Gegensatz zu allen weiteren Hovawartzuchtvereinen trat der RZV dem inzwischen gegründeten Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) bei. Damals wurde vom VDH pro Rasse nur ein Zuchtverband aufgenommen, weshalb sich der RZV in den Folgejahren zum wortwörtlich maßgebenden Verein für Hovawarte entwickelte. Er stellte den Rassestandard auf, der in den VDH und somit auch in den FCI überging und aus dem unser heutiger FCI-Standard hervor gegangen ist. Dabei beschränkte sich der RZV auf die Farben Schwarz, Schwarzmarken und Blond. Man fragt sich nun natürlich gleich, weshalb sich der RZV entschied, nur diese Farben in den Standard aufzunehmen und warum die anderen Farben von nun an zu „Fehlfarben“ wurden. Der Grund dafür ist recht banal, denn als es im RZV galt, den Rassestandard zu formulieren, gehörten über 95% der ihm zu Verfügung stehenden Zuchttiere bereits einer der drei Farben an. Der erstellte Standard richtete sich also, im Bezug auf die Farben, nach dem typischen Aussehen der vorhandenen Zuchttiere innerhalb des Vereins.

Später wurde die Satzung des VDH dahingehend geändert, dass auch mehr als ein Zuchtverein pro Rasse aufgenommen werden konnte. Daher sind auch die HZD und der kleinere Hovawart-Club Goslar (HC) heute im VDH. Die Aufnahme in den VDH hatte für diese Vereine jedoch zur Folge, dass sie sich von nun an, auch was die Farben anging, nach dem inzwischen edablierten FCI-Standard richten mussten. So blieb den Vereinen nichts anderes übrig, als ihre bis dahin in der Zucht befindlichen andersfarbigen Hunde aus der Zucht zu nehmen. Von da an verschwanden die alten Farben seit Ende der 80er Jahre mehr und mehr von der Bildfläche.

Heutige Hovawartzuchten, die noch die anderen Farben beinhalten, sind zwangsläufig keine VDH-Zuchten. Ihnen stehen nur noch sehr wenige Zuchttiere zur Verfügung, welche eine der nun selten gewordenen Farben tragen und vererben. Dies erschwert die Erhaltung genetischer Vielfalt enorm und beeinflusst darüber hinaus die mögliche Zuchtauswahl im Hinblick auf andere körperliche Eigenschaften, die Gesundheit sowie das Wesen der Zuchtiere.

Weiter zu Teil II: Die Gene hinter den Farben

Quellenhinweise: Die hier aufgeführten Informationen habe ich von den Internetseiten der HZD, des RZV und des Hovawart-Vereins für deutsche Schutzhunde Thale sowie aus den Büchern von Thomas Becker („90 Jahre Hovawartzucht oder Geschicht der HZD“) und Heidrun Blasius („Der Hovawart“) zusammengetragen. Weiterhin flossen Einzelheiten aus Gesprächen und Emailkorrespondenzen mit verschiedenen Mitgliedern der oben genannten Vereine und anderen Hovawarthaltern ein. Sollte ich ihr hier etwas fehlerhaft oder missverständlich wiedergegeben haben, bitte ich darum, mich diesbezüglich zu benachrichtigen.